Gesund essen – ohne Druck am Familientisch

Gesund essen – ohne Druck am Familientisch

Daniel Fahje ist Ernährungsberater in Hamburg und Experte für die Ernährung von Kindern. In seiner Arbeit unterstützt er Familien dabei, im turbulenten Alltag gesunde Essgewohnheiten zu etablieren – mit einem Blick für das Wesentliche und einem Herz für die Realität. Sein Ansatz: praxisnah, empathisch und fundiert.

 

Ernährung ist mehr als eine Frage von Nährstoffen – sie ist Teil der Beziehung zwischen Eltern und Kind. Gerade im Kleinkindalter wünschen sich viele Eltern, ihrem Kind gesunde Essgewohnheiten mitzugeben. Doch der Alltag stellt sie oft vor Herausforderungen: Was, wenn das Kind nichts Grünes isst? Oder ständig nach Süßem fragt? Wir haben mit Ernährungsberater Daniel Fahje gesprochen – über Vorbilder, sinnvolle Grenzen und den Mut zur Gelassenheit.

 

Du bist Ernährungsberater. Warum liegt dir die gesunde Ernährung von Kindern besonders am Herzen?

Kinder wachsen und haben einen hohen Nährstoffbedarf. Nur bei einer abwechslungsreichen Ernährung können alle Nährstoffe in ausreichenden Mengen aufgenommen werden. Das ist wichtig, um die verschiedensten Prozesse im Körper zu unterstützen. Wir wissen noch recht wenig über mögliche Folgen von einer suboptimalen Ernährung im Kindesalter. Deshalb finde ich es sehr wichtig, hier wenig dem Zufall zu überlassen. Natürlich hat jede Beratung einen positiven Effekt, weil man den Klient:innen Stück für Stück weiterhilft. Bei Kindern potenziert sich das aber, weil in diesem Alter viele physiologische und psychologische Weichen für die Ernährung im Erwachsenenalter gelegt werden. Man kann so den Grundstein für ein gesundes Verhältnis zu Essen legen und damit auch für ein langes Leben mit wenig gesundheitlichen und körperlichen Beschwerden.

 

Was sollten Eltern zur Ernährung ihrer Kinder wissen?

Ich finde es sehr wichtig, dass Eltern generell ein Bewusstsein für gute Ernährung haben, also eine gewisse Ernährungskompetenz. Sie sollten wissen, was Kinder für ein gesundes Wachstum brauchen. Sie müssen beim Einkaufen erkennen können, welche Lebensmittel ungünstig sind, wo viel Zucker drinsteckt und welche Produkte im Vergleich hochwertiger als andere sind. Damit können sie für ihr Kind ein gutes Angebot schaffen.

 

Am Ende entscheidet aber das Kind?

So ist es. Ernährungsvorlieben sind sehr individuell. Bei Babys ist das noch nicht so ausgeprägt. Aber spätestens in der Autonomiephase werden viele Lebensmittel abgelehnt. Kinder wollen selbst entscheiden und manchmal nehmen sie schon aus Prinzip eine Gegenposition ein. Dann ist eine Vorbildfunktion wichtig. Ich kann als Elternteil nicht Wasser predigen und Wein trinken, sondern muss mit gutem Beispiel vorangehen, mich selbst gesund ernähren und mich auch ganz selbstverständlich an den gesunden Snacks bedienen.

 

Und was können Eltern noch tun, wenn ihre Kinder viele Lebensmittel ablehnen?

Sie sollten geduldig und beharrlich sein und Lebensmittel immer wieder anbieten. Wichtig ist es auch, Erlebnisse zu schaffen. Auch sehr kleine Kinder können schon beim Kochen und Einkaufen eingebunden werden. Dabei lernen sie dann gleich: Wo kommt das Essen auf dem Tisch eigentlich her? Gemeinsame Mahlzeiten sind auch ein schöner sozialer Anlass. Ich empfehle immer, dass Familien zumindest einmal täglich gemeinsam essen. Das lässt sich aber natürlich nicht in jedem Fall umsetzen.

 

Welche Erlebnisse eignen sich noch?

Oft lohnt es sich, mal einen Schritt zurückzugehen und die Elternperspektive zu verlassen. Was hat uns denn selbst als Kindern gut gefallen? Was mögen unsere Kinder – auch wenn es für uns Erwachsene vielleicht nicht der Norm entspricht? Das Essen spielerisch und bunt anzurichten ist ein erster Schritt. Auch toll: ein Picknick, vielleicht auch im Wohnzimmer. Ein Freund von mir klebt von außen bunte Sticker auf die Packungen, um den Lebensmitteln einen besonderen Touch zu geben und die Kinder essen den Inhalt mit großer Begeisterung. Ganz out of the box: Einfach mal auf Teller verzichten. Stattdessen Frischhaltefolie auf den Tisch und direkt vom Tisch essen.

 

Und was, wenn Kinder die „guten“ Lebensmittel trotzdem ablehnen und sich am liebsten nur von Nudeln und Eis ernähren würden?

Erst einmal rate ich von einer Einteilung in „gute“ und „schlechte“ Lebensmittel grundsätzlich ab. Lebensmittel sollten nicht in Kategorien eingeteilt werden. Etwas älteren Kindern kann man schon gut erklären, warum es wichtig ist, dass der Körper zum Beispiel Obst und Gemüse bekommt. Bei sehr kleinen Kindern geht das natürlich noch nicht. Hier ist es wie gesagt wichtig, dass die Eltern mit gutem Beispiel vorangehen. Denn Kinder lernen viel durch Beobachtung. Eltern sind die wichtigsten Bezugspersonen und haben alleine durch das eigene Verhalten einfach einen riesigen Einfluss auf das Verhalten der Kinder. Auch Grenzen sind wichtig: Es gibt eben kein Eis zum Frühstück und auch nicht den ganzen Nachmittag nur Schokolade. Wenn Eltern wirklich sehr besorgt über die Ernährung sind, lohnt sich eine Beratung bei einer Ernährungsfachkraft.

 

Also bei Ernährungsberater:innen? Ist bei möglichen Mängeln denn auch ein Bluttest sinnvoll und lohnt es sich, den Kinderarzt anzusprechen?

Kinderärzte sind bei diesem Thema nicht in jedem Fall die besten Ansprechpartner. Ernährungsfachkräfte sind oft spezialisiert und haben deutlich mehr Zeit für eine ausführliche und individuelle Beratung. Ich empfehle das auch vor einem Bluttest, denn häufig wird erst durch die Beratung klar, ob und was man überhaupt testen sollte. Oft sind sich Eltern auch sehr sicher, dass eine Form der Mangelernährung vorliegen muss, dabei ist dem gar nicht so. Eltern vertrauen dem Sättigungsgefühl ihrer Kinder häufig nicht.

 

Wie meinst du das?

Manchmal ist es gut, wenn Eltern sich zurücknehmen. Wenn das Kind sagt, dass es satt ist, sollten wir das erst einmal akzeptieren. Kinder haben ein natürliches Sättigungsgefühl und wissen normalerweise gut, was sie brauchen. Bei gutem Wetter sind Kinder draußen und bewegen sich unheimlich viel. Bei schlechtem Wetter spielen sich alle Aktivitäten hingegen zu Hause ab. Kinder essen stark nach Bedarf und diese schwankt aufgrund des wechselnden Alltags manchmal erheblich. Das ist ein bedeutender Unterschied zu dem standardisierten Alltag von Erwachsenen. Manchmal haben sie einen Heißhunger auf bestimmte Lebensmittel, weil sie die Inhaltsstoffe ganz offensichtlich stark benötigen. Wenn die Ernährung über einen längeren Zeitraum sehr einseitig ist, können auch Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll sein, auch präventiv. Aber das sollten Eltern am besten nur in Rücksprache mit einer Fachperson entscheiden.

 

Wo finden Eltern gute Informationen zum Thema Ernährung?

Im 1. Jahr können sich Eltern gut Basisinfos auf offiziellen Internetseiten anlesen. In diesem Alter ist die Ernährung meist noch nicht so kompliziert: Die Do’s und Dont’s findet man gut sortiert auf kostenlosen kinderärztlichen Seiten. Wovon ich allerdings abrate: Social Media als alleinige Informationsquelle. Wir wissen es ja selbst: Auf Social Media kommt es auf Klicks und Likes an. Und die bekomme ich mit überspitzten und polarisierenden Inhalten. Darum sollte man die Inhalte dort mit Vorsicht genießen. Wenn Eltern später auf Probleme bei der Ernährung stoßen, etwa aufgrund von Unverträglichkeiten oder weil das Kind nur sehr einseitig ist, sollten sie sich an eine Ernährungsfachkraft wenden und entweder auf ein Coaching in der Gruppe oder 1:1 in Anspruch nehmen.

 

Angenommen, Eltern haben bereits ein gutes Wissen zum Thema Ernährung und setzen das zu Hause auch gut um. Im Umfeld, zum Beispiel von Großeltern oder in der Kita, wird das aber ganz anders gesehen und es gibt vielleicht viel Süßes. Wie können Eltern damit umgehen?

Ich bin immer dafür, dass Eltern für ihre Prinzipien einstehen und Konsequenzen ziehen, auch wenn es vielleicht unangenehm ist. Das gilt natürlich vor allem bei einem konstanten sozialen Umfeld – wenn es im Urlaub mal einen Lutscher beim Essen gibt, muss man in keine Diskussion verfallen. Aber zum Beispiel bei Großeltern oder Nachbarn sollte man sich positionieren und das Gespräch suchen. Das ist immer besser, als nichts zu sagen, nur um nicht unangenehm aufzufallen, oder das Kind abzukapseln, damit diese Situationen nicht mehr entstehen.

 

Besonders wichtig für Eltern sind also ein solides Wissen und ihre Vorbildfunktion?

Genau. So fällt es ihnen leichter, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen, und auch Grenzen zu setzen. Bei allem sollten sie aber nicht vergessen, empathisch auf ihr Kind zuzugehen. Kleinkinder sind kleine Persönlichkeiten, deren Charakter sich ausbildet. Und hier sollten Eltern auch beim Thema Ernährung gut begleiten.

mo:mo Expertinnen

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